Stottern lässt sich wirksam behandeln

Stotternde Menschen machen regelmäßig die Erfahrung, dass es ihnen nicht gelingt, ihre Gedanken und Gefühle flüssig zu äußern. Nicht weitersprechen zu können, ist eine sehr unangenehme Erfahrung, die zu einer starken Verunsicherung führen kann. Stotternde Menschen erleben Gesprächssituationen daher häufig als stress- oder angstauslösend. Auch wenn Stottern nicht als heilbar gilt, gibt es wirkungsvolle Behandlungsmethoden, die stotternden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen helfen, sprachlich in Fluss zu bleiben.

Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gibt es sehr wirkungsvolle Behandlungsmethoden des Stotterns.

Was ist Stottern?

Stottern ist eine Störung des Redeflusses, bei der es in regelmäßigen Abständen zu Verkrampfungen der Artikulationsmuskulatur kommt. Dadurch entstehen in der sprachlichen Kommunikation immer wieder Unterbrechungen, die für die Betroffenen sehr belastend sind.

Woher kommt das Stottern und welche Ursachen hat es?

Nach dem aktuellen Wissensstand hat Stottern genetische Ursachen. Dafür spricht, dass Stottern familiär gehäuft auftritt und Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen. Hinzu kommen noch weitere Faktoren, die bei der Entstehung des Stotterns auslösend und aufrechterhaltend wirken. Stottern gilt daher als multifaktoriell verursacht.

Wodurch entstehen die Unterbrechungen im Sprechfluss?

Sprechen ist ein physiologisch sehr komplexer Vorgang, bei dem Gedanken in gesprochene Sprache umgewandelt werden. Die sprech- und sprachverarbeitenden Areale in unserem Gehirn haben dabei die Aufgabe, Sprachäußerungen zu planen und die Bewegungen der Artikulationsorgane zu steuern. Daran sind unzählige Nerven und Muskeln beteiligt, deren Koordination ein hohes Maß an Präzision und Koordination erfordern. Beim Stottern treten an irgendeiner Stelle in diesem Prozess „Verarbeitungsfehler“ auf, die zu Verkrampfungen der Artikulationsmuskeln führen.

Beim Stottern verkrampfen Artikulationsmuskeln.

Hat Stottern psychische Ursachen?

Stellen Sie sich folgendes vor: Sie sind auf einer Party eingeladen, zu der Sie gerne hingehen würden. Sie wissen aber, dass Sie in solchen Situationen nicht flüssig sprechen können und stark stottern. Die Vorstellung, sich zu unterhalten und Gespräche führen zu müssen, erfüllt Sie mit Angst, da in der Vergangenheit solche Gespräche häufig missglückt sind.

So oder so ähnlich geht es vielen Stotternden und viele entscheiden sich in solchen Fällen dazu, stressauslösende Situationen zu vermeiden. Das Vermeiden führt dann wiederum zu einer Verstärkung der Angst und einem Teufelskreis, der zu einer erheblichen psychischen Belastung führen kann.

In der Stottertherapie legen wir einen großen Wert darauf, zwischen Ursachen und Folgen des Stotterns zu unterscheiden. Nach heutigem Erkenntnisstand liegen die Ursachen des Stotterns eindeutig in der Sprech- und Sprachverarbeitung. Psychische Belastungen sind aber häufig die Folge des Stotterns und diese können sehr belastend sein.

Stottern hat keine psychischen Ursachen.
Seelischen Belastungen sind aber eine häufig auftretende
Folge dieser Kommunikationsstörung.

Symptomatik des Stotterns

Im Zentrum der Redeflussstörung stehen die Verkrampfungen der Artikulationsorgane. Sie werden als Kernsymptome bezeichnet und sie lassen sich drei unterschiedlichen Kategorien zuordnen:

  1. Blockierungen entstehen durch eine Verkrampfung einzelner Artikulationsmuskeln. Sie treten vor allem bei Plosivlauten wie /b/, /p/ oder /k/ und und Vokalen auf und führen zur vollständigen Unterbrechung des Sprechflusses.
  2. Bei Dehnungen kommt es zu einem krampfhaften Verharren z.B. bei den Reibelauten /f/ und /w/ oder den klingenden Konsonanten /m/ oder /ng/. Auch Vokale können davon betroffen sein. Bei einer Dehnung ist der Stotternde nicht in der Lage, das Wort anstrengungsfrei zu beenden.
  3. Bei Lautwiederholungen kommt es zu einer schnellen Repetition von Sprachlauten.

Stotternde Menschen erleben das Auftreten der Kernsymptome in der Regel als sehr unangenehm und kommunikationsstörend. Um den Sprechfluss wieder in Gang zu setzen, haben sie im Laufe der Jahre meistens diverse eigene Sprechtechniken und Verhaltensweisen entwickelt, die allerdings auf Dauer nicht hilfreich sind. Diese Begleitsymptome sind sehr individuell und jeder Stotternde hat seine ganz eigene Mischung entwickelt. Hier sind einige Beispiele:

  • Erhöhung des Drucks beim Sprechen
  • krampfhafte Pressversuche
  • mimische Mitbewegungen
  • Mitbewegung des Kopfes
  • Vorschub des Unterkiefers
  • Mitbewegung der Hände
  • Verwendung von sprachlichen Floskeln, wie z.B. „ähm“, „ja, was ich noch sagen wollte“, „ich sag´ mal“ etc.
  • und viele weitere

Jeder Stotternde hat seine ganz eigene, individuelle Symptomatik.

Angst vor dem Sprechen

Stotternde Menschen machen regelmäßig die Erfahrung, dass ihnen das Sprechen nicht so gelingt, wie anderen. Sie erleben das Auftreten von Stotterereignissen als sehr unangenehm und es treten negative Emotionen wie Angst, Hilflosigkeit und Scham auf. Um solche Kommunikationserfahrungen zu verhindern, entwickeln sie im Laufe der Jahre sehr vielfältige Strategien, die dazu dienen, Stotterereignisse zu vermeiden.

Stottern vermeiden

Vermeidestrategien können sich auf die Art des Sprechens beziehen, wenn z.B. Wörter mit schwierigen Lauten durch andere ersetzt, Begriffe umschrieben oder nur sehr kurze Sätze gesprochen werden. Eine andere Form des Vermeidens ist die Strategie, Kommunikationssituationen gezielt aus dem Weg zu gehen. So vermeiden Stotternde möglichst Smalltalk-Situationen, mündliche Redebeiträge, Referate oder Präsentationen.

Bei Aufregung, Nervosität und Stress…

Negative Emotionen wie Angst, Scham und das Vermeideverhalten führen zur Entstehung eines Teufelskreises, der das Stressempfinden erhöht. Dadurch verstärkt sich in der Regel die Stottersymptomatik deutlich. Der Abbau von Angst, Scham und dem Vermeideverhalten ist daher ein wesentlicher Therapiebaustein in der Stottertherapie und eine Grundlage für den erfolgreichen Einsatz der Sprechtechniken. In der Stottertherapie lernt der Patient daher, gelassen mit den Unterbrechungen umzugehen.

Stotternde versuchen das Stottern zu vermeiden.
Dazu haben sie meist vielfältige Strategien entwickelt.

Therapie des Stotterns

Auch wenn ein bereits länger bestehendes Stottern als nicht vollständig heilbar gilt, gibt es sehr wirksame Behandlungsmethoden. In der Stottertherapie lernen die Patienten verschiedene Sprechtechniken kennen, die ihnen helfen, das Sprechen flüssig zu halten. Eine erfolgreiche Beherrschung dieser Sprechtechniken führt zu einem verbesserten Selbstvertrauen, zu mehr Sprechfreude und zu positiven Erfahrungen im sozialen Miteinander.
In der aktuellen „AWMF-Leitlinie Stottern“ der medizinischen Fachverbände wurden vor allem die sprachtherapeutischen Behandlungsmethoden der Stottermodifikation und das Fluency Shaping als wirksam für Jugendliche und Erwachsene beurteilt.

In der Stottertherapie lernt der Stotternde,
das Stottern entstehen zu lassen, ohne es zu vermeiden.
Erst wenn dies gelingt, lassen sich
Sprechtechniken erfolgreich anwenden.

Die Stottermodifikation

Die Stottermodifikation beruht auf der Erkenntnis, dass auch bei stotternden Menschen die Phasen flüssigen Sprechens überwiegen. Das Ziel dieser Behandlungsmethode ist es, dass der Stotternde eine Sprechtechnik erlernt, die er immer dann einsetzt, wenn es zu einem Stotterereignis kommt.
Die Stottermodifikation hat eine lange Tradition und geht auf den amerikanischen Sprachtherapeuten Charles van Riper zurück. Bei vielen Patienten ist diese Therapiemethode sehr erfolgreich.

Fluency Shaping

Ein Teil der stotternden Menschen leidet unter einer so häufig auftretenden Stottersymptomatik, dass die Stottermodifikation an ihre Grenzen stößt. In diesen Fällen kann die Methode des Fluency Shaping eine sinnvolle therapeutische Alternative sein.
Beim Fluency Shaping wird eine grundlegende Veränderung des Sprechens angestrebt, mit dem Ziel, die Sprechflüssigkeit aufrecht zu erhalten. In der Stottertherapie lernt der Patient weiche Stimmeinsätze zu bilden, das Sprechtempo zu verlangsamen und Silben zu dehnen. Diese systematische Veränderung des Sprechens – die so genannte Sprechrestrukturierung – soll dazu führen, dass Stotterereignisse gar nicht mehr auftreten.

Hilft singen gegen das Stottern?

Viele Stotternde machen die Erfahrung, dass die Aussprache flüssig ist, sobald sie singen. Deshalb stellen sich viele die Frage, ob singen bei Stottern helfen kann. Leider lässt sich das Singen sprachtherapeutisch nicht sinnvoll einsetzen, da sich dadurch die Sprechweise sehr stark verändern würde und der Patient in seiner singenden Sprechweise sehr unnatürlich klingen würde. Deshalb ist Singen zwar eine schöne Beschäftigung aber keine Therapieoption gegen das Stottern. Leider!

Stottern ist zwar nicht vollständig heilbar.
Durch eine systematische Stottertherapie
lässt es sich aber meistens gut behandeln.