Die verbale Entwicklungsdyspraxie (VED)

Die verbale Entwicklungsdyspraxie ist eine besonders schwere Form der kindlichen Aussprachestörung.

Betroffenen Kindern fällt es schwer, zielgenaue Artikulationsbewegungen auszuführen. Obwohl sie wissen, was sie sagen möchten, haben sie große Probleme in der Steuerung ihrer Artikulationsorgane und sind dadurch kaum zu verstehen. Die verbale Entwicklungsdyspraxie führt daher sowohl bei den Kindern, als auch ihren Eltern zu einem hohen Leidensdruck.

In diesem Artikel berichten wir darüber, was die Entwicklungsdyspraxie von herkömmlichen Aussprachestörungen unterscheidet, welche Symptome typisch sind und wie sie sprachtherapeutisch behandelt wird.



Die verbale Entwicklungsdyspraxie und andere Aussprachestörungen

Was sind Aussprachestörungen

Sprachentwicklungsstörungen gehören zu den häufigsten Entwicklungsstörungen im Kindesalter. Ungefähr 8-10% aller Kinder sind davon betroffen. Die zugrundeliegenden Sprachverarbeitungsprobleme führen sehr häufig dazu, dass die Kinder die Sprachlaute nicht korrekt bilden können. Dadurch sind sie schwer zu verstehen und es entstehen Kommunikationsprobleme.

Die Phonologische Störung

Aussprachestörungen sind in der Mehrzahl der Fälle auf Defizite in der Hörwahrnehmung sprachlicher Merkmale zurückzuführen. Den betroffenen Kindern fällt es schwer, die feinen Unterschiede zwischen den Sprachlauten zu erkennen. Ähnliche Laute klingen für sie gleich, so dass sie z.B. ein /t/ nicht vom /k/ unterscheiden können. Folglich haben auch die Wörter Tanne und Kanne für sie die gleiche Bedeutung.
Auf diese Weise führen die Hörwahrnehmungsprobleme der Kinder dazu, dass sich das Lautsystem der Sprache nicht in altersgerechter Weise entwickeln kann. In der Folge entstehen Ersetzungen oder Auslassungen von Sprachlauten, die zur eingeschränkten Verständlichkeit der Kinder führen. Diese häufigste Art der Aussprachestörung wird als phonologische Störung bezeichnet.

Die verbale Entwicklungsdyspraxie ist eine motorische Aussprachestörung

Bei der verbale Entwicklungsdyspraxie liegt das Problem nicht in der Hörwahrnehmung sprachlicher Merkmale, sondern in der motorischen Umsetzung von Sprechbewegungen. Um zu verstehen, wie motorische Artikulationsstörung entstehen, ist es hilfreich, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie Artikulationsbewegungen motorisch gesteuert werden.

Wenn Kinder nicht verstanden werden entsteht Frustration. Auch bei ihren Eltern.

Motorik der Sprache

Bewegungsplanung und Ausführung

Unsere Sprache besteht aus ungefähr 40 unterschiedlichen Sprachlauten, die in unzählbaren Kombinationen in der Sprache erscheinen. Unsere Artikulationsorgane haben die Aufgabe, diese Sprachlaute zu bilden. Dies stellt an unser motorisches System enorme Anforderungen, da Artikulationsbewegungen mit einer hohen Zielgenauigkeit und in einem hohen Tempo ausgeführt werden müssen. Gesteuert wird das ganze durch unser Gehirn.

Übung macht geschickt

In den ersten Jahren des Lebens erlernen Kinder nicht nur grob- und feinmotorische Bewegungsabläufe, wie z.B. sich zu drehen, hinzusetzen oder zu laufen. Auch die mund- und sprechmotorischen Leistungen entwickeln und verfeinern sich ständig. Seine Lernerfahrungen erhält das Kind, indem es Laute und Lautverbindungen spielerisch wiederholt. Berühmt sind die Lallphasen im ersten Lebensjahr, in denen das Kind inhaltslose Silbenketten vor sich hinplappert. Dabei sammelt es wertvolle Bewegungserfahrungen und entwickelt auf diese Weise eine immer präzisere Sprechmotorik.

Gelernt ist gelernt

Wenn ein Kind neue Bewegungen erlernt, werden dabei viele Informationen im Langzeitgedächtnis als Bewegungsprogramme abgespeichert. Sie ermöglichen, dass einmal gelernte Bewegungsabfolgen zielgenau ausgeführt werden können. Daher können wir komplexe Bewegungen ausführen, ohne diese zuerst ausprobieren oder üben zu müssen.

Fahrradfahren verlernt man nicht

Natürlich haben auch wir Erwachsene viele solcher Bewegungsprogramme verinnerlicht. Ein gutes Beispiel ist das Fahrradfahren:
 Wenn Du als Kind fahrradfahren gelernt hast, kannst Du es auch dann noch, wenn du es jahrelang nicht praktiziert hast. Verantwortlich dafür sind die sicher im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Bewegungsprogramme, die dich jederzeit auf „altes Können“ zugreifen lassen.

Die Sprechorgane
können nicht
schnell und zielgenau
bewegt werden.

Ursachen und Symptome der verbalen Entwicklungsdyspraxie

Gestörte Bewegungsplanung

Kinder mit verbaler Entwicklungsdyspraxie haben ganz offensichtlich Schwierigkeiten bei der Ausführung zielgenauer Sprechbewegungen. Man geht davon aus, dass es den Kindern in ihrer motorischen Entwicklung nicht in ausreichender Weise gelingt, die erforderlichen Bewegunginformationen im Langzeitgedächtnis abzuspeichern oder abzurufen. Daraus entstehen schwere Aussprachestörungen mit einer meist typischen Symptomatik.

Symptomatik

  • Suchbewegungen
  • Wechselndes Störungsmuster
  • Sprechanstrengung

Typische Symptome:
Suchbewegungen
unsystematisches Fehlermuster
Sprechanstrengung

In der Therapie
lernt dein Kind, seine Artikulationsorgane
zielgenau zu steuern.

Logopädische Behandlung

Therapieprinzipien

  • Systematische Erarbeitung präziser Artikulationsbewegungen
  • kleinschrittige Arbeit auf Laut-, Silben- und Wortebene
  • viele Wiederholungen
  • ansteigender Schwierigkeitsgrad des Laut- und Wortmaterials
  • Einsatz lautunterstützender Gebärden